Therapeutische Unterstützung Pädophiler

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Um ein wichtiges Faktum vorwegzunehmen: Niemand benötigt eine Therapie, weil er pädophil ist. Dieser Beitrag richtet sich insbesondere an Menschen mit pädophilen Empfindungen, die nach Unterstützung suchen.

 

Pädophilie ist in unserer Gesellschaft von einem Tabu behaftet. Deswegen geht eine pädophile Neigung häufig mit Scham, Schuldgefühlen oder Ängsten einher. Gängige Vorurteile führen zu einer Abwertung der eigenen Person. Dieser Prozess führt häufig zu Ohnmachtsgefühlen, Depressionen bis zu Suizidalität.

 

ICD 11

Einen Krankheitswert hat Pädophilie im neuen ICD 11 (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems / Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme) unter diesen Umständen:

 

„Eine pädophile Störung ist durch ein anhaltendes, fokussiertes und intensives Muster sexueller Erregung gekennzeichnet, dass sich in anhaltenden sexuellen Gedanken, Phantasien, dranghaften Bedürfnissen oder Verhaltensweisen äußert und sich auf vorpubertäre Kinder bezieht. Damit eine pädophile Störung diagnostiziert werden kann, muss die betreffende Person diese Gedanken, Phantasien oder dranghaften Bedürfnisse ausgelebt haben oder durch sie stark belastet sein. Diese Diagnose gilt nicht für sexuelles Verhalten unter prä- oder postpubertären Kindern mit Gleichaltrigen, die dem Alter nach ähnlich sind.“

 

Eine Pädophilie ist grundsätzlich eine sexuelle Orientierung und nur unter den im ICD 11 genannten Voraussetzungen eine Störung. Die Wissenschaft ist sich einig, dass Pädophilie nicht automatisch mit Kindesmissbrauch oder einer Vorstufe davon gleichgesetzt werden kann. Pädophile sind also nicht gleichzusetzen mit Straftätern. Die meisten leben ihre Neigung nicht aus.

 

Sexuelle Orientierung

Eine sexuelle Orientierung gilt als lebenslang stabil und kann nicht durch therapeutische Maßnahmen verändert werden; Selbstwahrnehmung, also die sexuelle Identität, muss von der sexuellen Orientierung unterschieden werden. Beide können – bewusst oder unbewusst – voneinander abweichen. Ideal ist es, wenn die Selbstwahrnehmung mit der sexuellen Orientierung übereinstimmt. Eine fehlerhafte Selbstwahrnehmung führt unter Umständen zu Verwirrung. Vorurteile gegenüber der eigenen Orientierung können diese Diskrepanz verstärken. Ähnlich, wie früher viele Homosexuelle, die oft ein unerfülltes heterosexuelles Leben führten, leiden auch pädophil empfindende Menschen unter der Belastung sich immer verstecken zu müssen.

 

Ausgrenzung, Stigmatisierung, Kriminalisierung

Es gibt heute keine soziale Gruppe, die stärker von Ausgrenzung, Stigmatisierung und Kriminalisierung betroffen ist als die der Pädophilen. Diese negative Außensicht kann zu Selbstverleugnung, Angst vor Entdeckung, vor Verlust der bürgerlichen Existenz, Ablehnung der eigenen sexuellen Orientierung sowie Versuchen, sie zu verdrängen beziehungsweise zu ändern und zu Selbsthass führen.

 

Wenn die Lebensumstände derart belastend sind, ist eine therapeutische Unterstützung sinnvoll. Eine Therapie sollte sich grundsätzlich auf das Leiden des Hilfesuchenden konzentrieren, das je nach Persönlichkeit unterschiedlich ausgeprägt sein kann. Im Allgemeinen lassen sich zwei Hauptströmungen des Leidens identifizieren: Selbststigmatisierung und Isolation, die im Folgenden näher erläutert werden.

 

Das Übernehmen der Vorurteile gegen pädophile Menschen führt zu einem falschen Selbstbild. Komplexe menschliche Beziehungen spielen bei den Vorurteilen keine Rolle. Der Pädophilie wird auf seinen Sexualtrieb reduziert. So glaubt er von sich selbst, er sei eine tickende Zeitbombe, die jederzeit zu einer Gefahr für Kinder werden kann. Nicht nur Abbildungen zu nutzen sei krank, sondern auch jeder Gedanke an Sexualität mit einem Kind. Er interpretiert es als persönliche Schwäche, dass er sich dagegen nicht erfolgreich und dauerhaft wehren kann. In dieser Situation will der Betroffene mit jeder Faser seines Körpers anders, normal, kein Monster sein, nicht dem Bild entsprechen, dass die Umwelt von der eigenen Person hat. Jedoch besteht tief im Innern die Befürchtung, genau so zu sein. Das falsche Selbstbild führt zu einer hohen psychischen Belastung. Daraus kann sich eine Depression bis hin zur Suizidalität entwickeln.

 

Isolation

Sich der ständigen Gefahr bewusst zu sein, dass man aus der Gesellschaft ausgeschlossen wird, sobald die sexuelle Orientierung öffentlich ist, führt zu einer extremen Dauerbelastung. Der Pädophile lebt im Bewusstsein, sich keinem anderen Menschen anvertrauen zu können, ohne sein Schicksal komplett in dessen Hände zu legen. Die Angst geoutet zu werden oder sich selbst durch ein unbedachtes Wort, einen unbedachten Blick selbst zu outen, ist groß. Selbst staatliche Organe machen keinen Hehl daraus, den Betroffenen am liebsten loswerden zu wollen oder wenigstens durch Haftstrafe unschädlich zu machen. Er erfährt, dass die Versprechen der Verfassung nicht für ihn gelten. Dabei ist der Betroffene unendlich alleine, da er im realen Leben niemanden kennt, dem es auch so geht, der sein Schicksal teilt, mit dem er sich identifizieren kann. Der Pädophile fühlt sich dem System ohnmächtig ausgeliefert, kann nicht für sich und seine Interessen eintreten. Überall begegnet ihm Hass. Die Angst vor Entdeckung ist ein ständiger Begleiter. Diese Umstände begünstigen die Entwicklung einer Depression und können zu suizidalen Handlungen führen.

 

Therapie als Prävention

Die gängigen Therapieangebote definieren Prävention als Ziel ihrer Intervention. Therapeuten nennen auf ihren Webseiten als Grund für ihre Arbeit unverhohlen und ausschließlich den Schutz von Kindern vor Übergriffen durch Pädophile. Mit diesen Aussagen stützen sie das falsche Bild, dass die Gesellschaft von dieser sozialen Gruppe hat.

 

Dabei sind es doch die Therapeuten, die es eigentlich besser wissen müssten. Das bekannteste Beispiel dieser fehlgeleiteten Ansätze ist KTW (Kein Täter werden). Hier wird Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung unterstellt, ihnen würden wesentliche soziale und emphatische Kompetenzen fehlen. Wissenschaftlich ist diese Annahme nicht zu halten.

 

Therapie als echte Unterstützung

Im Mittelpunkt einer Therapie muss der Hilfesuchende mit seinen Herausforderungen stehen. Ihm soll es besser gehen und mit seinen Wünschen, Werten und Erwartungen in Einklang kommen. Ein glückliches Leben ist nicht deshalb schwierig, weil der Betroffene pädophil ist, sondern weil die Gesellschaft keinen gesunden Umgang mit dieser sexuellen Orientierung hat. Es stellt sich folglich die Frage, wie es gelingen kann, unter diesen Vorzeichen ein zufriedenes Leben zu führen. Da es auf diese Frage nur eine persönliche Antwort gibt, ist eine therapeutische Begleitung sinnvoll.

 

Therapie kann nicht nur helfen, sondern auch erheblichen Schaden anrichten. Wer sich zum ersten Mal einem anderen Menschen offenbart, befindet sich in einer verletzlichen Situation und ist der Bewertung des Anderen ausgeliefert. Der Therapeut hat eine große Macht über den Pädophilen. Seine Reaktion, seine Meinung, seine Moral und seine Ansichten spielen eine entscheidende Rolle für dessen künftiges Selbstbild. Wie bereits beschrieben, haben auch die professionellen Behandler nicht immer das Wohlergehen des Betroffenen im Blick, sondern verfolgen eigene Interessen. Das kann dem Hilfesuchenden schaden, weshalb er die Wahl des Therapeuten mit der entsprechenden Sorgfalt treffen muss, um sich zu schützen.

 

Fazit

Letztlich kann Therapie dazu beitragen, die Lebensqualität zu verbessern, indem sie dem Pädophilen dabei hilft, ein erfülltes und zufriedenes Leben zu führen, trotz der Herausforderungen, die diese Neigung mit sich bringt.